4. NAVICARE Symposium Frühjahr 2019

Im dritten Jahr der Förderung von NAVICARE luden PD Dr. Rieckmann und Prof. Dr. Heintze zum Frühjahrssymposium mit dem Thema…

"Forschungsnetzwerke erfolgreich gestalten"

In Vorbereitung auf die zweite Förderphase und die Vernetzung mit EMANet, dem Kooperationsnetz für Versorgungs-forschung in der Akut- und Notfallmedizin an der Charité, stellten sie den Referent*innen und Teilnehmer*innen aus diversen Fachbereichen und Institutionen zur Diskussion, was gute Forschungsnetzwerke ausmacht und ob es Netzwerke für gute Forschung braucht.

Interessierte und Vortragende diskutierten beim Symposium über Anreize und Hemmnisse der Arbeit in Forschungsnetzwerken. (Fotos: NAVICARE)

„Forschungsverbünde in der Biomedizin: ‚Beutegemeinschaften‘ oder Nährboden robuster Evidenz und Innovation?“ – Prof. Dr. med. Ulrich Dirnagl (BIH QUEST Center for Transforming Biomedical Research)

Den Aufschlag zum Thema machte Prof. Dirnagl vom QUEST Zentrum des Berliner Instituts für Gesundheit. Zu Beginn stellte er die These auf, dass die Komplexität heutiger Fragestellungen in der Forschung ‚team science‘ erfordere und alle biomedizinische Forschung in Netzwerken stattfinden sollte. Doch warum ist ‚team science‘ noch nicht Standard, obwohl es dafür nicht an finanzieller Förderung fehlt? Diese Frage beantwortete Prof. Dirnagl mit dem gängigen Belohnungs- und Karrieresystem in der Wissenschaft, welches ‚team science‘ nicht fördere. Dabei könne Forschung heutzutage nur durch Interdisziplinarität, Expertise und Spezialisierung, wie sie im Verbund von Expert*innen verschiedener Fachbereiche vorliegt, erfolgreich betrieben werden. Insbesondere betonte er, dass Netzwerke genutzt werden können, um die externe Validität und Robustheit von Forschungsergebnissen zu verbessern und damit die Übertragbarkeit klinischer Forschung in den Patientenalltag erfolgreicher zu machen.

Als Beispiel für ein erfolgreiches Forschungsnetzwerk nannte er CERN, die Europäische Organisation für Kernforschung, mit etwa 3.400 Mitarbeitern und über 14.000 Gastwissenschaftlern. Prof. Dirnagl nach beruht der Erfolg eines Netzwerkes vor allem auf dessen Mehrwert (1+1=3) und Nachhaltigkeit. Gerade die Nachhaltigkeit sehe er als besondere Herausforderung, die von erfolgreichen Netzwerken frühzeitig angegangen werden müsse.

„Netzwerke in Organisationen – sozialer Tausch oder sozialer Kampf?“ – Priv.-Doz. Dr. phil. Liane Schenk (Institut für Medizinische Soziologie und Rehabilitationswissenschaften, Charité – Universitätsmedizin Berlin)

Im Anschluss beleuchtete PD Dr. Schenk Netzwerke in Organisationen aus soziologischer Sicht. Durch die Gegenüberstellung typischer Merkmale einer Organisation und eines Netzwerks arbeitete sie die Herausforderungen einer Vernetzung im institutionellen Kontext heraus. Eine Vernetzung stelle eine Bündelung der Ressourcen dar, so PD Dr. Schenk, die aber gleichzeitig auch Hemmnisse bedeuten können.

Auch sie hob den Mehrwert als einen Erfolgsfaktor von Netzwerken hervor. Als weitere Erfolgsfaktoren nannte sie u.a. Entwicklungsräume für Beteiligte, ausbalancierte Machtverhältnisse, Transparenz und klare Befugnisse seitens der Herkunftsinstitute, das Netzwerkmanagement und die Netzwerkkultur. Desweiteren betonte sie, dass aus soziologischer Sicht auch die individuellen Beschäftigungsverhältnisse der Beteiligten das soziale Verhalten in Netzwerken beeinflussen. Die Netzwerkarbeit könne daher als Chance für Mitarbeiter*innen zur Schaffung von Perspektiven gesehen werden (Stichwort Nachhaltigkeit), so PD Dr. Schenk.

„NCORP – Community Cancer Research Network – A Stable Structure for Clinical and Health Services Research“ – Prof. Dr. phil. Christine Holmberg (Institut für Sozialmedizin und Epidemiologie, Medizinische Hochschule Brandenburg Theodor Fontane), Dr. Worta McCaskil-Stevens (Community Oncology and Prevention Trials Research Group, NCI Community Oncology Research Program, Division of Cancer Prevention)

Mit dem abschließenden Vortrag des Symposiums richtete Prof. Holmberg den Blick auf die USA und das National Community Cancer Research Network (NCORP) des National Cancer Institute (NCI), als Beispiel für ein nachhaltiges und erfolgreiches Forschungsnetzwerk. Niedergelassene Praxen, Krankenhäuser und Forschungsinstitute in urbanen und ländlichen Regionen bilden darin eine landesweite Forschungsinfrastruktur, die aus Finanzmitteln des NCI aufrechterhalten wird. Das Programm wird regelmäßig evaluiert. Versorgungsforschung auch im ländlichen Raum und nicht nur in Spitzenzentrum durchzuführen, sowie eine von Forscher*innen unabhängige Forschungsinfrastruktur hob Prof. Holmberg als besondere Faktoren dieses Netzwerk-Modells hervor.

Im Verlauf des Symposiums sammelten die Teilnehmer*innen Anreize, Ressourcen und Hemmnisse für die Arbeit in Forschungsnetzwerken aus Ihren Erfahrungen (s. Abb. 1). Abschließend regten PD Dr. Rieckmann und Prof. Dr. Heintze an, dieses Symposium als Auftakt zur Reflexion der eigenen Netzwerkarbeit zu betrachten und im Austausch mit anderen Netzwerken zu lernen.

Anreize & Ressourcen

Hemmnisse

Abbildung 1 Anreize/Ressourcen und Hemmnisse für die Arbeit in Forschungsnetzwerken aus Sicht der Teilnehmer*innen

Weitere Empfehlung zur Auseinandersetzung mit dem Thema:

M.G. Ash, I.V. Hertel, K.-P. Schmitz, D. Ganten, J. Fischer, S. Leibfried, H.-P.Blossfeld, C. Markschies, J. Mittelstraß. Forschungsverbünde in der Wissenschaft – Chance oder Zwang? : Streitgespräch in der Wissenschaftlichen Sitzung der Versammlung der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften am 2. Dezember 2011. Berlin : Berlin-Brandenburgische Akad. Der Wiss., 2012.

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