3. NAVICARE Symposium Herbst 2018

Am 9. November 2018 fand im Charité Crossover das NAVICARE-Symposium zum Thema …

„Patientennavigation durch das Versorgungssystem“

statt. Über 50 Teilnehmer*innen verfolgten spannende Beiträge aus aktuell laufenden Projekten zur verbesserten Versorgung von Patient*innen mit chronischen Erkrankungen. Dabei stand die Integration von Patientenlots*innen in die Versorgung von Patient*innen mit Schlaganfall und Krebserkrankungen im Fokus.

Das NAVICARE-Team und Referent*innen beim Symposium im Charité Cross Over. (Foto: Kerstin Jana Kater)

Nach einem informativen Exkurs in die Versorgung von Patient*innen im niederländischen Gesundheitssystem am Beispiel Schlaganfall und Mammakarzinom durch Prof. Nynke Scherpbier-de Haan von der Radboud Universität in Nijmeegen, dominierte das Thema „Schlaganfall-Nachsorge“ den weiteren Vormittag. Während es in anderen Ländern bereits Ansätze eines umfassenden Versorgungsmanagements von Schlaganfallpatient*innen im Anschluss an die Akutversorgung und Rehabilitation gibt, fehlt ein solches in Deutschland.

Dazu müssen zunächst verlässliche Daten zur post-stationären Versorgungslage bereitgestellt werden. Im NAVICARE-Teilprojekt CoreNavi analysieren Daniel Schindel und Kolleg*innen vom Institut für Medizinische Soziologie und Rehabilitationswissenschaft an der Charité Abrechnungsdaten gesetzlicher Krankenkassen von über 16.000 Schlaganfallpatient*innen in Hinblick auf die Inanspruchnahme therapeutischer Leistungen.

Die MAS-Studie des Centrums für Schlaganfallforschung Berlin entwickelt ein integriertes Nachsorge-Modell für Schlaganfallpatient*innen auf Grundlage der digitalen Erfassung der Langzeitversorgung. Die Innovationsfonds-geförderten Versorgungsmodelle Stroke OWL und SANO erproben regionale Konzepte, um die Nachsorge von Schlaganfallpatient*innen zu verbessern. Im Projekt SANO werden berufsgruppenübergreifende Netzwerke bestehend aus Hausärzt*innen, Schlaganfallkoordinator*in, Schlaganfallpflegekräften („Stroke Nurses“) an Kliniken sowie Therapeut*innen, Diätassistent*innen und Sozialarbeiter*innen aufgebaut. Mittels „Motivational Interviewing“ und individuellen Zielvereinbarungen mit den Patient*innen soll eine bessere Therapieadhärenz und Risikofaktorkontrolle erreicht werden. Herausforderungen beim Aufbau der Netzwerke in den 15 Studienregionen wurden diskutiert. Das Modell-Projekt Stroke OWL untersucht die Kosteneffektivität des Einsatzes von Schlaganfalllots*innen. Ziel ist hier, die Lebensqualität der Betroffenen zu erhöhen und das Risiko eines weiteren Schlaganfalls zu verringern. Neben beratenden und koordinativen Tätigkeiten sollen auch hier die Lots*innen die Patient*innen zu einem gesunden Lebensstil motivieren und nehmen bereits in der stationären Phase Kontakt zu den Patient*innen auf. Bisher nehmen ca. 330 Patient*innen teil. Als Hauptgrund für die Nichtteilnahme wurde von den Patient*innen angegeben, die Situation ohne Hilfe bewältigen zu können.

Referent*innen und Besucher*innen diskutierten auf dem NAVICARE-Symposium verschiedene Ansätze und Projekte zur patientenorientierten Navigation durch das Versorgungssystem. (Fotos: Kerstin Jana Kater)

Am Nachmittag wurde das Projekt OSCAR vorgestellt, welches ebenfalls vom nationalen Innovationsfonds gefördert wird. Dieses beinhaltet die Evaluation einer einjährigen Begleitung von Patient*innen mit Krebserkrankungen und ungünstiger Prognose durch speziell ausgebildetes Pflegepersonal („Social Care Nurses“). Als Zwischenstand wurde unter anderem die hohe Akzeptanz dieses speziellen Angebots von Patientenseite betont. Ein besonderer Beitrag war der Bericht Nora Koppotsch, Social Care Nurse im Projekt, die ihre Erfahrungen als Ansprechperson für die Patient*innen und deren Angehörige beschrieb und dabei den engen Kontakt zu den Patient*innen, die zeitlichen Ressourcen für individuelle Beratung sowie die umfangreiche individuelle Betreuung durch ein multiprofessionelles Team positiv hervorhob. Neben diesen positiven Erfahrungen wurde auch deutlich, dass der enge Kontakt mit Patient*innen mit ungünstiger Prognose zum Teil auch eine Belastung für die Social Care Nurses darstellt und mit dem Wunsch nach Supervision verknüpft ist.

Darüber hinaus wurden Ergebnisse der NAVICARE Forschungsprojekte CoreNAVI und COMPASS vorgestellt. Aus Interviews mit Lungenkrebspatient*innen ließen sich die Problemfelder „Behandlungsabläufe“ und „Betreuung“ herausarbeiten. Ansatzpunkte für Navigator*innen sind in der Praxis häufig auftretende Probleme in der Betreuung wie mangelnde Aufklärung, fehlende Ansprechpersonen oder Vernachlässigung von psychosozialen Komponenten der Erkrankung. Als zentrale Ansprechpersonen können sie Patient*innen mittels Informationen, Beratung, Vermittlung von Betreuungsangeboten und Unterstützung bei bürokratischen und sozialrechtlichen Fragen durch den „Versorgungsdschungel“ leiten.

Aus Sicht der Hausärzt*innen und medizinische Fachangestellte (MFAs) bestehen die Barrieren in der optimalen Versorgung von multimorbiden und chronisch kranken Patient*innen in der aufwendigen Bürokratie und Organisation, der Kommunikation mit anderen Fachärzt*innen und weiteren Berufsgruppen sowie der zurückhaltenden Delegation von Koordinierungsaufgaben an medizinische Fachangestellte. Der ungedeckte Bedarf in sozialrechtlichen Angelegenheiten nimmt eine wichtige Rolle ein. Der Einsatz einer zusätzlichen Berufsgruppe mit sozialrechtlichen Kompetenzen ist vorstellbar. Eine bessere Koordination der Patientenversorgung wird in zusätzlich qualifiziertem Personal wie beispielsweise Sozialarbeiter*innen oder externen Navigator*innen gesehen, um die Hausärzt*innen zu entlasten.

Fazit für die Patientennavigation

Es wurde deutlich, dass für chronisch kranke Patient*innen in verschiedenen ambulanten Versorgungskontexten in Deutschland – nicht nur beim Übergang von der stationären in die ambulante Versorgung – eine Vielzahl von Barrieren in der Organisation der Versorgung bestehen, die mit den derzeitigen Ressourcen der medizinisch-therapeutischen Versorgern nicht hinreichend adressiert werden können. Mit dem Einsatz von Patientennavigator*innen/-lots*innen werden in den laufenden Projekten unterschiedliche Aufgaben adressiert (z.B. Aufklärung, Unterstützung der Patient*innen bei Anträgen, Empowerment, Motivation, Vernetzung der Versorger) und verschiedene Ziele verfolgt (Erhöhung der Leitlinienadhärenz, Verbesserung der Lebensqualität, Kostenersparnis).

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